SFJ-Workshop zu ChatGPT: «Die Technik ist endlich so weit!»
Wer sich heute mit ChatGPT auseinandersetzt, wird bald im Vorteil sein. Doch wo einsteigen? Der SFJ bietet deshalb am 2. November einen Workshop an: «ChatGPT und Co. im journalistischen Alltag nutzen»
Im Interview erklärt Kursleiter und KI-Experte Christian Reiter, weshalb ChatGPT und Co Einzug in den beruflichen Alltag von Journalistinnen und Journalisten halten und weshalb sich eine Teilnahme am SFJ-Workshop vom 2. November lohnt.
Interview: George Sarpong, Vorstand Bildung, SFJ-AJS
Was fasziniert Sie an künstlicher Intelligenz (KI)?
Christian Reiter: Einerseits, als Informatiker, natürlich die ganze Technik und was es alles dazu benötigt, damit das möglich ist, was man jetzt damit tun kann. Da ist enorm viel an Wissenschaft, Zeit und Ressourcen investiert worden. Nicht nur von den Firmen, die das jetzt vor allem anbieten, sondern über die letzten Jahrzehnte. Andererseits finde ich auch die philosophische Frage spannend. Was ist überhaupt Intelligenz? Bis jetzt war es relativ einfach, einen Strich zu ziehen, was wir als «intelligent» ansehen. Der Mensch ist offensichtlich intelligent, während alles andere, von Steinen zu Pflanzen bis hin zu Tieren, als «nicht intelligent» gilt. Das war bisher einfach einzuordnen, da der Mensch in allem, was wir als intellektuelle Tätigkeit ansehen, allem anderen überlegen ist. Wir haben Sprachen entwickelt, Mathematik, sind kreativ etc. KI macht diese Sichtweise sehr viel unangenehmer, weil sie in immer mehr dieser Gebiete besser wird. Ich denke, dass wir hier, in relativ naher Zukunft, sehen werden, dass unsere solipsistische Betrachtung nicht mehr reicht und wir maschinelle Intelligenz nicht mehr von menschlicher Intelligenz unterscheiden können.
Künstliche Intelligenz erscheint seit Jahrzehnten in Wellen. Dann versandet das Thema wieder. Was ist dieses Mal anders?
Ich denke, diese Frage beantwortet sich etwas von selbst. Alleine, dass wir so einen Workshop umsetzen, zeigt, dass die Technik endlich soweit ist, dass sie einige der «Versprechen» endlich eingelöst. Konkret gibt es jetzt Lösungen, die für einen Grossteil der Menschen direkt nützlich sind. Was man dabei oft übersieht, ist, dass der Fortschritt in Sachen KI allen voran durch den Einsatz von Maschinellem Lernen, nicht ungenutzt blieb. Viele Firmen haben bereits seit Jahren solche Produkte im Einsatz. Als man die ersten AI Bots entwickelte, hatte man halt das im Kopf, was wir heute mit ChatGTP haben – man war sogar schon weiter. Aber man hatte dann recht schnell bemerkt, dass das ganze sehr viel komplexer ist. Man benötigt neben den theoretischen Grundlagen des Maschinellen Lernens, wie zum Beispiel die Funktion neuronaler Netzwerke, auch genügend Daten und genügend schnelle Hardware. Ersteres hatte man schon relativ früh. Daten und schnelle Hardware, wie etwa Computerchips, sind erst in den letzten Jahren breiter zugänglich geworden. Auch wenn man sagen muss, dass es bei noch sehr viel Forschung zur Optimierung des Machine Learnings benötigte. So steht zum Beispiel das «T» in GPT, für «Transformer» und ist eine Technik, ohne die ChatGPT so nicht möglich wäre. Aber mehr dazu im Workshop! Es kamen also einige Faktoren zusammen, bei denen schon länger klar war, dass sie benötigt werden. Dennoch waren alle überrascht, dass es doch plötzlich besser funktionierte, wie erwartet – so auch der Hersteller OpenAI.
Sie leiten am 2. November den SFJ-Workshop zum Thema «ChatGPT und Co. im journalistischen Alltag nutzen». Weshalb lohnt sich die Teilnahme? Was nimmt man mit?
Reiter: Grosse Sprachmodelle, sogenannte Large Language Models (LLM) sind an sich eine Grundlagentechnologie. Es ist praktisch das neue Interface, mit dem wir mit Rechnern kommunizieren werden. Das vereinfacht und demokratisiert den Zugang zu Computern und den Möglichkeiten, die wir haben. Bis anhin war dieses Privileg vor allem Programmierern vorbehalten oder denjenigen, die sie sich leisten konnten. Das ist vorbei. Mit den LLMs ist diese Hürde massiv gesunken, zumindest für viele gängige Anwendungen. Dadurch öffnen sich nun auch Anwendungsbereiche, die vorher einfach zu teuer waren. Sich gegen solche Modelle zu wehren, wäre für mich gleichzusetzen, wie sich dazumal gegen Computer, das Internet oder das Smartphone zu wehren. Vor allem im professionellen Umfeld und insbesondere in allen Berufen, die mit Text arbeiten, ist es nur eine Frage der Zeit, bis ChatGPT und Co. zum beruflichen Alltag zählen werden. Je schneller man also lernt, damit umzugehen, desto besser und desto eher kann man sich gegenüber der (noch) schlafende Konkurrenz abheben. Mit der Geschwindigkeit, mit der sich das entwickelt, wage ich sogar zu behaupten, dass wenn man diese KI-Systeme nicht benutzt, man in 1 bis 2 Jahren, wenn nicht sogar früher, so angeschaut wird, wie wenn man heute mit einer Schreibmaschine seine Artikel schreiben möchte.